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06.09.2015
Sieben Mal Gold bei einer Mammutveranstaltung
Guido Müller bei der Senioren-WM 2015 in Lyon – ein persönlicher Rückblick
Nachdem ich an den vorhergehenden Senioren-Weltmeisterschaften, die 2011 in Sacramento (USA) und 2013 in Porto Alegre (Brasilien) stattgefunden hatten, nicht teilgenommen habe, nahm ich die WM in Lyon vom 4. bis 16. August 2015 ins Visier. Dort wollte ich sehr gerne dabei sein, auch wegen der relativ nahen Entfernung von München aus, nur ca. 600 Kilometer.
Im Vorfeld hatte ich mit einigen Problemen zu kämpfen. Im März stürzte ich beim Hürdentraining in der Halle, wobei ich mir einen Knochen am Ellbogen brach. Erst nach der Rückkehr von einer privaten USA-Reise konnte ich Anfang Mai mein reguläres Training wieder aufnehmen. Bedingt durch den Trainingsrückstand, verzichtete ich erstmals auf meine Teilnahme bei den Mitte Mai stattfindenden Südbayerischen Meisterschaften. Und bei den vier Wochen später in Vaterstetten ausgetragenen Bayerischen Meisterschaften trat ich nur über 200 Meter und über 400 Meter an.
Bedenken im Vorfeld
Für die WM in Lyon zeichnete sich eine hohe Teilnehmerzahl ab. Dies hatte zur Folge, dass der Veranstalter von ursprünglich drei Stadien auf vier Wettkampfstätten aufstocken und dadurch den provisorischen Zeitplan diesen vier Stadien anpassen musste. Erst nach Ablauf der Meldefrist konnte ein endgültiger Zeitplan mit den Austragungsstätten für die 13 Wettkampftage erstellt werden, unter Berücksichtigung der etwas über 8.000 Teilnehmer (!), die aus 101 Nationen kamen, darunter 715 aus Deutschland (!). Meine Bedenken, ob diese Mammutveranstaltung problemlos abgewickelt werden könne, waren erheblich: „Da ist das Chaos vorprogrammiert“, glaubte ich.
Auch in meiner Altersklasse M75 waren viele Teilnehmer gemeldet. Ich fragte mich, ob ich meine fünf Einzeldisziplinen (100 Meter, 200 Meter, 400 Meter, 80 Meter Hürden und 300 Meter Hürden) mit Vor- und Zwischenläufen in verschiedenen Stadien aus zeitlichen Gründen und kräftemäßig überhaupt bewältigen können würde. Die genaue Durchsicht der Zeitpläne ergab dann aber, dass meine Wettbewerbe nur in den beiden Hauptstadien, die allerdings 20 Kilometer voneinander entfernt lagen, durchgeführt werden. In allen meinen Wettbewerben waren Vorläufe erforderlich, bei 100 Meter und bei 200 Meter sogar Zwischenläufe. Es schien, als würde ich meine fünf Disziplinen bei guter Logistik bestreiten können.
Entgegen unseren Gewohnheiten, bei den internationalen Meisterschaften vor dem ersten Start einen "Puffertag" einzulegen, an dem wir die Startunterlagen etc. abholen und uns mit den Lokalitäten vertraut machen konnten, sind meine Frau und ich erst am Tag vor dem ersten Start per Flugzeug nach Lyon angereist. Unser Hotel lag nur ca. drei Gehminuten von einer Haltestelle der Metro entfernt, die etwa 20 Minuten bis zur Endhaltestelle benötigte. Von dort aus waren es noch vier Haltestellen mit dem Bus bis zum ersten Hauptstadion „La Duchère“.
Gold über 100 Meter
Da meine Starts an meinen drei ersten Wettkampftagen bereits um 9.15 Uhr, 9.20 Uhr und um 8.30 Uhr angesetzt waren, war jeweils bereits ab 6.30 Uhr nur ein leichtes Frühstück möglich. Zu den fünf 100-Meter-Vorläufen traten 34 Teilnehmer an, darunter als wohl meine stärksten Konkurrenten der Weltrekordhalter über diese Strecke, Bob Lida aus den USA, sowie mein langjähriger Sportkamerad aus Finnland, Aimo Mikkola. Da sich jeweils fast immer nur die Sieger direkt für die nächste Runde qualifizierten, war ich darauf bedacht, als Erster das Ziel zu passieren, aber trotzdem kraftsparend zu laufen. Meinen Vorlauf gewann ich leicht mit der drittbesten Zeit nach Lida und Mikkola. Beim Zwischenlauf am nächsten Tag konnte ich mit der besten Zeit von 14,15 Sek. aufwarten, während Mikkola und Lida sich ebenfalls mit 14,33 Sek. und 14,64 Sek. leicht für das Finale am Nachmittag qualifizierten.
Im Finale startete ich zwischen den beiden Mitfavoriten. Lida schien mir nach meinem Eindruck beim Zwischenlauf schlagbar. Wie bei den vergangenen Rennen führte zunächst Mikkola, den ich nach ca. 70 Meter überholen konnte. Von Lida war nichts zu sehen. Bei leichtem Gegenwind (0,8 m/sec.) siegte ich in 13,83 Sek. vor Aimo Mikkola (13,98 Sek.). Bob Lida, inzwischen 78 Jahre alt, wurde Achter. Er hatte schon im Vorfeld über Probleme mit seiner rechten Hüfte geklagt. Der Weltrekordhalter und Weltseniorensportler des Jahres 2012 tat mir leid und ich war fast sicher, dass er nicht mehr zu den 200-Meter-Vorläufen antreten würde. Auch über 200 Meter hält Lida mit 27,73 Sek. den Weltrekord.
Gold über 200 Meter
Nach einem allgemeinen Ruhetag fanden dann fünf Vorläufe über 200 Meter mit 24 Teilnehmern und mit Bob Lida statt, der mit 29,73 Sek. sogar die beste Zeit erzielte. Ein Este lief 30,06 Sek., ich selbst erreichte 30,20 Sek. und Mikkola qualifizierte sich mit 31,19 Sek. für die Zwischenläufe am nächsten Vormittag. Drei Wettkämpfe standen dann an jenem Tag für mich auf dem Zeitplan. Den ersten Zwischenlauf gewann Lida mit 29,08 Sek. vor Mikkola in 29,92 Sek., während ich mir im zweiten Zwischenlauf den Sieg in 28,70 Sek. sicherte. Der Este lief 29,80 Sek.
Mein nächster Start war bereits drei Stunden später im 20 Kilometer entfernten "Parilly"-Stadion über 300 Meter Hürden. Drei Vorläufe waren für die 14 Teilnehmer angesetzt. Ich gewann meinen Vorlauf mit der besten Zeit, fast mit halber Kraft. Ich musste meine Kräfte einteilen, denn am frühen Abend fand im „La Duchére“-Stadion das 200-Meter-Finale statt. Ich hatte Bahn 4, Lida und Mikkola starteten direkt vor mir. Nach den Zwischenläufen sah ich mich im Vorteil, doch ich wollte flott anlaufen und nach Möglichkeit vorne sein, wenn es auf die Zielgerade geht. Dies ist mir auch gelungen und ich konnte hier meine Führung ausbauen. Über meine Siegeszeit von 28,15 Sek. war ich sehr erfreut. Mikkola wurde überraschend Zweiter (29,42 Sek.), noch vor Lida (29,61 Sek.). Auch der Este blieb mit 29,72 Sek. als Vierter noch unter 30 Sekunden. Mit meiner Zeit blieb ich nur um 18 Hundertstelsekunden über dem Europarekord, den ein Deutscher vor zehn Jahren in Vaterstetten aufgestellt hat (siehe Teaser-Foto unter "Neues").
Gold über 300 Meter Hürden
Vor dem Endlauf über 300 Meter Hürden am nächsten Tag fand in der großen Halle neben dem Stadion die Siegerehrung für die 200 Meter statt. Eine solche Siegerehrung ist immer eine feierliche Zeremonie, bei der die jeweilige Nationalhymne des Siegers abgespielt wird. Danach folgt das Fotoshooting der „offiziellen“ Fotografen und der anwesenden Freunde und Familienmitglieder. Um die Mittagszeit trat ich dann zum Endlauf über 300 Meter Hürden an. Wieder hatten wir gute Wetterbedingungen, es war nicht mehr so extrem heiß wie in den ersten Tagen. Ich konnte alle sieben Hürden mit fast optimalem Rhythmus überlaufen und erreichte die von mir nicht erwartete Siegerzeit von 50,02 Sek. Ich hatte etwas über fünf Sekunden Vorsprung vor dem Zweiten und blieb damit nur um 37 Hundertstelsekunden über meinem im letzten Jahr erzielten Weltrekord. Außer mir hatten sich drei Deutsche für dieses Finale qualifiziert. Diese belegten die Plätze zwei, vier und fünf. Den dritten Platz belegte ein Australier, den ich bereits seit den Weltmeisterschaften 1987 in Melbourne kenne.
Da ich erst am Spätnachmittag des nächsten Tages meinen Wettkampf hatte, fuhren wir am Vormittag mit der Seilbahn zum Wahrzeichen von Lyon, der Basilika Fourvière, von wo aus man eine herrliche Aussicht auf Lyon und Umgebung hat. Zu meinem 400-Meter-Vorlauf musste ich im Parilly-Stadion antreten. Obwohl ich mich sehr schonte, erreichte ich von den 14 Teilnehmern mit 70,23 Sek. die beste Vorlaufzeit. Fünf von den sechs angetretenen Deutschen kamen ins Finale. Am Abend trafen wir uns mit Gerhard Zorn, seiner Frau sowie mit einigen Sportkameraden zu einem gemütlichen Abendessen aus Anlass von Gerhards 59. Geburtstag.
Der nächste Tag war der zweite Ruhetag der Meisterschaften. Neben der notwendigen Erholung nützten wir den Tag zu einem Bummel in der Innenstadt mit dem Besuch des sehr empfehlenswerten Museums der schönen Künste, das einen zauberhaften kleinen Park umgibt.
Auch nach dem Ruhetag hatte ich nur einen Wettkampf zu bestreiten, nämlich den 80-Meter-Hürden-Vorlauf. Hier machte mir der neu in die Altersklasse gekommene Russe Valery Ukhov zu schaffen, der neben mir startete. Gleich an der ersten der sieben Hürden hatte ich einen Rückstand von ca. 1,5 Metern. An jeder Hürde konnte ich dann etwas aufholen und erst im Auslauf ging ich in Führung. Dies war nach meiner Einschätzung nur möglich, weil der Russe das Tempo wegnahm.
Für mich galt er daher als Favorit für das Finale am Nachmittag des nächsten Tages. Fünf Stunden vor diesem Lauf musste ich das 400-Meter-Finalebestreiten. Ich hatte mir vorgenommen, mit möglichst wenig Anstrengung zu laufen, damit ich zum Hürdenendlauf nicht zu müde bin. Auf der Zielgeraden konnte ich verhalten laufen und siegte trotzdem mit drei Sekunden Vorsprung in 66,86 Sek. Leider konnte der Deutsche Adolf Nehren wegen einer akuten Magen-Darm-Grippe, die er sich am Abend zuvor zugezogen hatte, nicht an diesem Finale teilnehmen.
Dann stand das Finale über 80 Meter Hürden an. Wie bereits im Vorlauf führte Ukhov von Anfang an. Auf der Höhe der vierten Hürde konnte ich aber an ihm vorbeiziehen und mit 14,20 Sek. zu 14,62 Sek. siegen. Es war meine fünfte Goldmedaille und ich konnte den drei Jahre alten Europarekord eines Engländers um 16 Hundertstelsekunden verbessern.>
Das Highlight zum Abschluss
Wie bei den internationalen Meisterschaften üblich, wurden am Schlusstag die Staffeln über 4 x 100 Meter und 4 x 400 Meter ausgetragen. In beiden Staffeln wurde ich als Schlussmann eingesetzt. Unser Team konnte beide Staffeln gewinnen: Die 4 x 100Meter vor den USA mit Bob Lida, Russland, Australien, Mexiko und Indien. Das Highlight der Meisterschaften war für mich dann unser Weltrekord über 4 x 400 Meter in 4:47,85 Min. Wir verbesserten die alte Bestleistung der USA um fast sieben Sekunden. Russland, Australien und Mexiko belegten die nächsten Plätze.
Mit der Siegerehrung aller Staffeln über 4 x 400 Meter im Stadion auf dem Rasen und der Schlussfeier klang diese optimal gelungene Weltmeisterschaft aus. Die Zuschauer auf der vollbesetzten Tribüne sorgten für eine phantastische Stimmung bis zum Abschluss der Meisterschaften. Die Logistik bei dieser Mammutveranstaltung war eine Meisterleistung des Veranstalters. Es war seit der WM in Rom 1985 meine neunte Teilnahme an einer Stadion-WM und mit dem Gewinn von sieben Goldmedaillen auch meine erfolgreichste. Meine Frau und ich blieben noch einige Tage in Lyon, um diese schöne Stadt, die in das Weltkulturerbe der UNESCO aufgenommen wurde, besser kennenzulernen.
(bearbeitet von Christian Töpfer)
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--> zum WM-Rückblick von Gerhard Zorn