Sehr erfolgreich verlief für mich die 11. Senioren-Hallen-EM, die vom 29. März bis 3. April stattfand. Aber nicht nur deswegen hat sich die Reise gelohnt.
Im Jahre 2009 reisten wir mit dem Flugzeug zu den Hallen-Europameisterschaften nach Ancona. Diesmal entschieden meine Frau und ich, die knapp 800 Kilometer lange Fahrt mit dem Auto zurückzulegen. Dies hatte den Vorteil, dass wir nicht nur in Ancona selbst beweglicher waren, sondern auch während unseres anschließenden einwöchigen Aufenthalts in Italien. Unser Hotel in Ancona lag im südöstlichen Teil der Stadt über der Küste der Adria. Von der Terrasse unseres Zimmers aus hatten wir einen herrlichen Blick auf das Meer, das wir allerdings wegen Nebel an mehreren Tagen gar nicht sehen konnten.
Den vor den Wettkämpfen üblichen Puffertag nützten wir zur Abholung meiner Startunterlagen und zu einem ausgedehnten Stadtbummel in der historischen Altstadt. Wir gingen auch zum Dom San Ciriaco, der auf einen exponierten Hügel liegt, der den höchsten Punkt von Ancona bildet. Auch der Besuch des angrenzenden und schön geordneten Diözesan-Museums hat uns beeindruckt.
Zu den beiden Vorläufen über 60 Meter traten in meiner Altersklasse M75 14 Läufer an. Ich siegte im zweiten Vorlauf und hatte die zweitbeste Zeit mit 9,18 Sekunden. Der Engländer Treacher siegte im ersten Vorlauf mit 9,12 Sekunden. Leider gab beim Endlauf am Abend des nächsten Tages eine Zeitverzögerung von über einer Stunde. Grund: Erst musste der Hochsprung beendet werden, bei welchem der Anlauf quer über unsere Laufbahn ging. Diese Zeitverzögerung beeinflusste die gelaufenen Zeiten. Mit 8,99 Sekunden zu 9,10 Sekunden konnte ich aber gegen den Engländer gewinnen. Dritter wurde der Franzose Mocka mit 9,36 Sekunden.
Ohne größere Anstrengung gewann ich am nächsten Wettkampftag den zweiten Vorlauf über 200 Meter mit 32,03 Sekunden, während im ersten Vorlauf der erneut Treacher mit 30,88 Sekunden die beste Zeit hatte. Im Finale am nächsten Tag hatte ich Bahn zwei, Treacher startete direkt hinter mir. Er belegte wieder Platz zwei und erreichte 30,33 Sekunden. Mit meiner Siegerzeit von 29,11 Sekunden konnte ich bei den engen Kurven sehr zufrieden sein.
Kurioses beim Start über 400 Meter
Am vorletzten Wettkampftag hatte ich zwei Starts zu absolvieren. Die 400-Meter-Vorläufe waren auf 8.00 Uhr morgens angesetzt. Das bedeutete, dass ich ohne Frühstück bereits um 6.30 Uhr das Hotel verlassen musste. Und bei den Vorläufen ergab sich folgende Kuriosität: Elf Teilnehmer waren ursprünglich gemeldet, sieben davon meldeten ihre Anwesenheit bei der Akkreditierung als tatsächliche Teilnehmer an. Zu den beiden Vorläufern waren aber nur fünf Teilnehmer erschienen. Das heißt, dass bei sechs Rundbahnen alle Läufer in den Endlauf kommen, also keiner ausscheiden musste. Wozu also in diesem Falle Vorläufe?
Auf Grund meiner italienischen Sprachkenntnisse machte ich mich zum Sprecher der Teilnehmer beim Kampfgericht und bat dieses, die eigentlich sinnlos gewordenen Vorläufe ausfallen zu lassen. Dies wurde vom Kampfgericht nach Beratung als richtig anerkannt, aber trotzdem wurden die beiden Vorläufe mit insgesamt fünf Läufern durchgeführt. Wir Wettkämpfer waren uns einig, dass wir ohne auf die zu laufende Zeit und Platzierung zu achten, einfach nur die beiden Runden beenden sollten.
So war es dann auch. Mit der schlechtesten Zeit als Letzter „qualifizierte“ ich mich mit 1:51,97 Minuten für das Finale, das ich am darauffolgenden Tag mit 1:07,15 Minuten, wieder vor dem Engländer Treacher, gewinnen konnte.
Meinen zweiten Start an diesem Tag absolvierte ich um die Mittagszeit mit dem Finale über 60 Meter Hürden, zu dem sieben Teilnehmer angetreten waren. Dabei passierte mir an der zweiten Hürde das Missgeschick, dass ich mit dem Nachziehbein an der Hürde hängen blieb, völlig aus dem Rhythmus kam und fast gestürzt wäre. Gott sei Dank konnte ich meinen Lauf fortsetzen und erreichte zu meiner Überraschung sogar als Erster das Ziel, wenn auch in einer für mich mäßigen Zeit.
Auch am letzten Wettkampftag hatte ich zwei Starts. Zuerst war um 9.50 Uhr das Finale über 400 Meter, das ich, wie oben erwähnt, deutlich gewinnen konnte. Am Nachmittag war ich Schlussmann der deutschen 4x200-Meter-Staffel. Hier hatten wir nur die Italiener als Konkurrenten, die wir deutlich hinter uns lassen konnten. Mit fünf Goldmedaillen konnte ich mit meinem Abschneiden sehr zufrieden sein, zumal ich meine insgesamt acht Starts wieder verletzungsfrei absolvieren konnte.
Fazit
Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass ich zusammen mit drei anderen Teilnehmern, die in den letzten Jahren ebenfalls wie ich auf internationaler Ebene ausgezeichnet wurden, vom europäischen Verband zu einem Symposium eingeladen wurde. Dabei habe ich über meine sehr lange Wettkampfpraxis, vorwiegend als Alterssportler, sowie über meine Erfolge gesprochen – und Fragen der anwesenden Zuhörer beantwortet.
Nach den Wettkämpfen haben meine Frau und ich eine Woche lang mehrere italienische Freunde mit ihren Familien besucht. Dazwischen konnten wir auch zwei Tage in dem berühmten mittelalterlichen Städtchen Assisi verbringen, in dem der Hl. Franziskus vor über 700 Jahren geboren wurde, gewirkt hat und gestorben ist.
Die Reise nach Ancona, die Erlebnisse und Erfolge bei den Meisterschaften sowie die sehr schöne Anschlusswoche, bei der wir auch den schon fortgeschrittenen Frühling in Italien erleben durften, wird uns ganz sicher immer in bester Erinnerung bleiben.
Update:
Wie oben erwähnt, waren wir noch eine Woche in Italien als Touristen unterwegs. Dabei haben wir auch eine Familie in der Nähe von Ravenna besucht. Der zehnjährige Enkel unserer italienischen Freunde ist beim örtlichen Basketballverein engagiert und bestreitet auch Spiele mit dem Team. Wir hatten an einem Abend Gelegenheit, ihn beim Hallentraining zu beobachten. Dabei fiel mir auf, dass Edoardo (sein zweiter Vorname ist Guido) gegenüber den Gleichaltrigen zwar etwas kleiner, aber der schnellste Läufer von allen ist. Dabei kam mir der Gedanke, ob wir nicht ein Laufduell gegeneinander austragen sollten.
Am nächsten Tag fand dieser Lauf “Jung gegen Alt” auf der kaum befahrenen Straße vor dem Wohnhaus der Eltern statt. Meine Frau Helga fungierte als Starterin und Großvater Paolo (geb. 1940) stand am Ziel der ca. 60 Meter langen Laufstrecke. Ich lief mit voller Kraft, und am Ziel waren wir pari. Nach wenigen Minuten Pause wiederholten wir den Lauf, den ich als Finale ansah. Wieder gab es ein „totes“ Rennen. Ich war erstaunt, wie schnell sich der zehnjährige Edoardo erholte.
Beim gemeinsamen Abendessen erfolgte die Siegerehrung, d.h. die Auszeichnung für Edoardo, weil er so tapfer gekämpft hatte. Ich schenkte ihm meine in Ancona gewonnene Goldmedaille über 60 Meter, die ich ihm gleich um den Hals hängte. Der Beifall der Tischgemeinschaft galt Edoardo, der sich über die erkämpfte Medaille riesig freute. Auch ich freute mich über diese ursprünglich nicht geplante Begebenheit. Mal sehen, wie sich die sportlichen Talente dieses Jungen weiterentwickeln.
(bearbeitet von Christian Töpfer)
Siegerehrung: Weil er mit dem mehrfachen Senioren-Europameister mithalten konnte, bekam Edoardo eine Goldmedaille von Guido.