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21.11.2015
Chancenlos gegen Vollprofis aus Osteuropa
Georgina Schneid bei der EM der Gehörlosen in Polen – ein persönlicher Rückblick
Nach 2007 in Sofia/Bulgarien und 2011 in Kayseri/Türkei habe ich zum dritten Mal an einer Europameisterschaft der Gehörlosen teilgenommen. Die Wettkämpfe vom 20. bis 25. Juli im polnischen Bydgoszcz (Bromberg) wurden von den Athleten aus den osteuropäischen Ländern dominiert.
Bei meiner ersten Teilnahme war ich mit zwei Medaillen nach Hause gekommen, beim zweiten Mal war eine Medaille herausgesprungen. Diesmal wurde es leider nichts mit dem erhofften Podestplatz. Die Konkurrenz, vor allem aus Osteuropa, war einfach zu stark.
Doch der Reihe nach. Zunächst freute ich mich, dass ich vor Ort von meinem Papa, meiner Mama, meinem Freund und meiner Firmpatin, die eine lange Anreise per Auto auf sich genommen hatten, unterstützt wurde. Mein Papa Anton war auch als Fotograf für den Deutschen und Europäischen Gehörlosen-Sportverband (DGS bzs. EDSO) im Einsatz.
Bei meiner ersten Disziplin, dem 100-Meter-Lauf, war neben mir auch Jessica Urbanski, die ehemalige Europameisterin, aus Essen am Start. Ich lief nach einem sehr guten Start eine zufriedenstellende Zeit von 13,14 s und verfehlte damit leider das Finale – ebenso wie Jessica. Dadurch belegte ich den 13. Platz von 21 Teilnehmern. Allerdings war es ein sehr guter Testlauf für die 100 Meter Hürden am darauffolgenden Tag.
Mit der Saisonbestzeit von 15,72 s qualifizierte ich mich dort für das Finale über die Hürdenstrecke. Endlich mal wieder unter 16 Sekunden geblieben! Ich war glücklich über diese Zeit. Im Finale gab es jedoch starken Gegenwind von 2,3 m/s, wodurch ich den Rhythmus verlor. Gegen die starke Konkurrenz reichten meine Kräfte nicht aus, um eine bessere Platzierung als den 6. Platz zu erreichen. Den Titel holte Yuliya Shapoval aus der Ukraine, gefolgt von Kairit Olenko aus Estland und Olena Turkova aus Russland.
Speerwurf und Staffel
Bevor am letzten Tag die Staffeln auf dem Programm standen, hatte ich noch eine Einzeldisziplin zu absolvieren: den Speerwurf, für den elf Teilnehmerinnen gemeldet waren. Mein Ziel waren etwa 35 Meter. Ich wusste aber, dass ich auf über 40 Meter kommen musste, um eine Medaille zu holen. Ich belegte den 5. Platz mit einer Weite von 34,54 m, die im letzten Versuch schaffte. Die Konkurrentinnen waren einfach zu stark. Die Siegerin Elena Uzunova aus Bulgarien knackte mit 47,23 m den seit 2008 gültigen Weltrekord von 45,85 m. Die bisherige Weltrekordlerin Kairit Olenko aus Estland holte Silber, Dritte im Bunde der Medaillenträgerinnen wurde die Kroatin Laura Stefanac mit 41,45 m. Die gute Nachricht für mich war, dass ich durch meine gute Platzierung nun wieder in den A-Kader aufgerückt bin – nach vielen Jahren.
Bei der 4x100-m-Staffel, bei der ich Schlussläuferin war, hatte Jessica Urbanski einen raketenhaften Start erwischt. Als Erste übergab sie den Stab sauber an Felicitas Merker (Neuss). Wir lagen noch immer in Führung, als der zweite Wechsel an Nadine Brutscher (München) erfolgte – gerade noch rechtzeitig vor dem Ende des Wechselraums. In der zweiten Kurve hatten Russland, Weißrussland und die Ukraine gefährlich aufgeholt und uns leider überholt. Durch die hohe Anspannung startete ich als Schlussläuferin sehr explosiv. Ich merkte jedoch, dass ich den Stab von Nadine nicht bekommen würde, weswegen ich kurz vor Ende der Wechselzone eine Vollbremsung machen musste, um nicht disqualifiziert zu werden. Damit gingen wertvolle Meter und Zeit verloren. Wir landeten schließlich mit 50,37 s auf dem undankbaren Platz 4. Die russische Staffel erzielte mit 47,21 s einen weiteren Weltrekord. Meine Enttäuschung war riesengroß, denn ich hatte noch auf Metall gehofft.
Team-Harmonie hier, professionelles Umfeld dort
Fazit: Die Nationen Russland, Ukraine und Belarus sind einfach unschlagbar. Da sind Vollprofis am Werk, die nur für den Sport leben und trainieren – und auch hohe Prämien bekommen. Diese drei Staaten räumten bei dieser EM 80 Prozent aller Goldmedaillen und 70 Prozent aller Medaillen ab. Ein Vergleich mit uns erübrigt sich. Wir deutschen Teilnehmer sind lernende, studierende und arbeitende Athleten, erst nach Feierabend können wir uns um den Sport kümmern. Für Deutschland sprang bei dieser EM insgesamt leider nur eine Silbermedaille heraus.
Aber unsere Team-Harmonie war die beste, die ich je erlebt habe. Jede und jeder hat jeden unterstützt. Auffallend war, dass man bei den anderen Nationen sehr wenig Emotionen und gegenseitige Unterstützung spürte. Bei denen waren die Siege selbstverständlich oder eine Pflicht. Deutschland präsentierte sich mannschaftlich und bildlich als eine harmonische Nation.
Nach den Wettkämpfen gab es eine schöne Grill-Abschlussfeier mit allen Ländern im schönen Stadion in Bydgoszcz. Anschließend ging die deutsche Mannschaft in eine Jazz-Bar in die Altstadt, wo bis in die Morgenstunden getanzt wurde.
Mit meinem 4. Platz in der Staffel, dem 5. Platz im Speerwurf, dem 6. Platz über die Hürdenstrecke und dem 13. Platz über 100 Meter kann ich zufrieden sein. Ich habe für unsere Nation mein Bestes gegeben. Die Harmonie meines Nationalteams war der Gewinn meines Herzens.
(bearbeitet von Christian Töpfer)